Wohnungsbau einmal anders - Artenschutzprojekt sichert Lebensraum des gefährdeten Heldbocks

Immer mal wieder wird in der Lokalpresse über ihn berichtet - den Heldbock (Cerambyx cerdo). Einer der größten heimischen, vom Aussterben bedrohten und daher sogar europaweit streng geschützten Art aus der Familie der Bockkäfer. Bekannt ist er auch unter dem Namen Großer Eichenbock oder Spießbock. Ja, groß ist er. Bis zu 60 mm lang kann das ausgewachsene Vollinsekt werden. Nicht selten erreichen die Fühler des Männchens sogar das Doppelte der Körperlänge. Auch sein bevorzugter Lebensraum lässt Rückschlüsse auf seine Bezeichnung zu. Der Heldbock besiedelt fast ausschließlich alte Eichen in lichten Wäldern oder an sonnigen Waldrändern. Dabei haben es ihm besonders die kranken, morschen oder sogar schon toten Bäume angetan. Im Raum Torgau und Ostelbien sind speziell die Hartholzauenwälder mit ihrer Mischung aus Eichen, Ulmen und Eschen entlang der Elbe und ihrer Altarme beliebte Reviere. Im Raum Belgern hat der Bockkäfer in den mächtigen Altbäumen der historischen Parklandschaft von Treblitzsch einen hervorragenden „Ersatzlebensraum“ gefunden. Aber auch weitere Vorkommen, wie an den Bennewitzer Teichen, im Torgauer Glacis oder im Triestewitzer Park sind bekannt.

Schaut man einmal über die Landesgrenze hinweg, so reicht sein Verbreitungsgebiet von Südeuropa bis Südschweden über Polen bis hin zum Kaukasus. Mittlerweile ist dieser Bockkäfer in Mitteleuropa aber nur noch selten zu finden und kommt in weiten Teilen Deutschlands gar nicht mehr vor. Daher ist es umso erfreulicher, dass eines der größten Habitate des Heldbocks bei uns in der Elbaue liegt. Besonders der Irrglaube, dass es sich bei dieser Käferart um einen Forstschädling handelt und die damit einhergehenden Bekämpfungsmaßnahmen haben dem Bestand Anfang des 20. Jahrhunderts arg zugesetzt. Aber auch die Umwandlung von alten Eichenbeständen in Nadelforste und Wirtschaftswälder oder die Beseitigung absterbender Eichen aus ästhetischen Gründen in Grünanlagen und Parks führten maßgeblich zum Rückgang der Population. Heute ist der Heldbock vom Aussterben bedroht und gilt daher, genauso wie seine aktuellen und potentiellen Lebensräume, nach der Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Richtlinie der Europäischen Union als streng geschützt.

Doch der Rückgang lässt sich nur langsam bremsen. Nachhaltiges Denken und Handeln ist in diesem Fall nicht nur eine leicht daher gesagte Floskel, sondern ausdrücklich gefordert. Denn auch wenn die bevorzugten Stieleichen erst in geschätzten 100 Jahren für die Käfer interessant werden, müssen sie doch erst einmal gepflanzt werden. Dieser Aufgabe hat sich der Landschaftspflegeverband Torgau-Oschatz e.V. gewidmet. Das Projekt läuft bereits seit einem Jahr. Doch bevor die ersten Bäume in den Boden können, ist viel Vorarbeit zu leisten. Mit Dr. Jan Stegner vom Büro StegnerPlan hat man zum Glück einen ausgewiesenen Biologen und Käferexperten mit im Boot. Auf der Grundlage eines vom ihm durchgeführten Monitorings zum Heldbock in der Torgauer Elbaue wurde ein Konzept erstellt, das geeignete Pflanzstandorte vorsieht, um Vernetzungslücken zwischen den einzelnen Habitaten zu schließen. Und Vernetzung ist wichtig, denn die relativ flugfaulen, nachtaktiven Insekten verlassen nur zur Paarung ihre Baumhöhle. Tagsüber verstecken sie sich in alten Fraßgängen unter loser Rinde, die sie bereits während ihres Larvenstadiums angelegt haben. Der Entwicklungszyklus vom der Larve zum Käfer ist lang und kann bis zu fünf Jahren dauern. Nach der Verpuppung schlüpfen dann im Herbst die ersten Vollinsekten, die noch einmal erneut in ihrer Puppenwiege überwintern, bevor sie anschließend in den warmen Sommernächten zum Paarungstanz ausfliegen. Allerdings legen die standorttreuen Tiere in ihrem kurzen Erwachsenenleben keine großen Distanzen zurück. Wohnt der geeignete Partner nun nicht gleich in der Eiche nebenan, wird es schwierig mit der Fortpflanzung und demzufolge auch mit dem Erhalt der Population. Also müssen diese „Versorgungslücken“ dringend geschlossen werden. Das kann zum einen durch Neupflanzungen geschehen, aber auch durch die Entfernung des Unterwuchses an vorhandenen Brutbäumen, um eine ungehinderte Besonnung zu garantieren. Projektkoordinator Helmut Wache hat dazu jeden betroffenen Grundstückseigentümer informiert und ggf. vor Ort die geplanten Maßnahmen erläutert. Doch ohne die Zustimmung der Eigentümer und Pächter kann eine Umsetzung nicht erfolgen. So werden in der aktuellen Pflanzperiode nicht alle geplanten Eichen ihren Weg in die Elbaue finden. Dennoch, wer in den letzten Tagen aufmerksam in der Region um Arzberg oder Belgern unterwegs war, hat vielleicht gesehen, dass der „Wohnungsbau“ für unseren Heldbock bereits in vollem Gange ist.

 

Daniela Heine

LPV Torgau-Oschatz e.V.

 


 

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Sachsens einzigartiges Naturerbe mit seinen vielfältigen Kulturlandschaften ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes NATURA 2000. Ziel ist der Erhalt der biologischen Vielfalt durch den Schutz gefährdeter Arten und ihrer Lebensräume. Auch wir als Landschaftspflegeverband helfen durch unser Artenschutzprojekt mit, die biologische Vielfalt nachhaltig zu sichern. Möchten auch Sie sich daran beteiligen, eine Eiche pflanzen oder einen Fund melden, dann zögern Sie nicht und rufen Sie uns an! Außerdem sind wir immer auf der Suche nach Baumpaten, die uns bei der Pflege neuer Pflanzungen unterstützen.

 

Bild zur Meldung: Sozialer Wohnungsbau für den Heldbock - Torgauer Zeitung (29.12.2014)

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Artenschutzmaßnahme "Heldbock" (27.12.2014)